Zehn Jahre Adipositas-Selbsthilfegruppe

Von Betroffenen für Betroffene: Rita Wilke (r.) und Heidi Ossyra unterstützen Menschen mit krankhaftem Übergewicht. Die Adipositas-Selbsthilfegruppe Bad Münder besteht seit zehn Jahren. Foto: Behrens

Von Betroffenen für Betroffene: Rita Wilke (r.) und Heidi Ossyra unterstützen Menschen mit krankhaftem Übergewicht. Die Adipositas-Selbsthilfegruppe Bad Münder besteht seit zehn Jahren. Foto: Behrens

Menschen, die zu dick sind, haben einfach keine Disziplin. Das ist ein gängiges Vorurteil, mit dem stark übergewichtige Menschen konfrontiert werden. Dabei ist Adipositas eine ernsthafte und anerkannte Erkrankung mit vielfältigen Ursachen und einer hohen Sterberate. Die Adipositas-Selbsthilfegruppe Bad Münder ist eine Anlaufstelle für Betroffene – und das seit nunmehr zehn Jahren.

VON MAREIKE BEHRENS

„Selbsthilfe heißt ja: von Betroffenen für Betroffene“, erklärt Rita Wilke. Die gertenschlanke Frau litt selbst an krankhaftem Übergewicht, bis sie sich auf Anraten ihres Kardiologen dazu entschied, einen sogenannten Magen-Bypass legen zu lassen. Ihre Erfahrungen gibt sie gemeinsam mit Heidi Ossyra und Peter Frost in der Adipositas-Selbsthilfegruppe Bad Münder weiter. Nun feiert die Gruppe ihr zehnjähriges Bestehen.

Adipositas Zusammenspiel verschiedenster Faktoren

Jeden ersten und dritten Montag im Monat treffen sich die Mitglieder im Gemeindehaus in Hachmühlen – und der Bedarf ist groß. Doch woran liegt das? Es ist oftmals nicht nur falsche Ernährung, sondern ein Zusammenspiel verschiedenster Faktoren. „Mir hat Cortison den Rest gegeben“, berichtet Wilke. Auch der versteckte Zucker in der Nahrung spielt eine große Rolle. Nicht zu verachten ist auch die Stresskomponente. Viele Menschen schaffen sich einen Ausgleich durchs Essen. „Das geht schon mit Belohnung los“, so Wilke.

Inzwischen umfasst die Selbsthilfegruppe 65 bis 81 stille und 15 bis 30 aktive Mitglieder oder „Schäfchen“, wie Wilke sie liebevoll nennt. „Hier sind nur Betroffene, es ist ein geschützter Raum“, sagt Wilke. „Es ist ein unglaublicher Trost, der gespendet werden kann“, ergänzt Ossyra, denn die oft mit der Krankheit einhergehende Vereinsamung ist ein immenses Problem für die betroffenen Menschen. „Es gibt nichts Schlimmeres als Vereinsamung“, stellt Ossyra klar. Hier können die Erkrankten offen sprechen, auch über ihre Ängste, und sich austauschen. Dieser Austausch sei innerhalb des normalen sozialen Umfelds nicht möglich, so Ossyra. Darüber hinaus gibt es regelmäßig Expertenvorträge.

Wilke und ihre Mitstreiter geben den Hilfesuchenden außerdem Informationen über eine Magen-OP – denn die streben die meisten von ihnen an. Für Wilke war die OP das „zweite Leben“. Die Selbsthilfegruppe arbeitet eng mit dem Kompetenzzentrum für Adipositas- und metabolische Chirurgie am Hamelner Sana-Klinikum unter der Leitung von Dr. Andreas Hoffmann zusammen.

Magen-OP geeignete Therapie-Option

Doch der Eingriff ist kein simples Fettabsaugen oder eine Schönheits-OP, sondern eine „sehr geeignete Therapie-Option“, sagt die Diplom-Ernährungsberaterin Antje Schrörs, die ebenfalls dem Adipositas-Netzwerk angehört und regelmäßig Vorträge in der Selbsthilfegruppe hält. Auch Wilke ist es wichtig, zu betonen, dass die Magenverkleinerung eine „medizinisch notwendige OP“ sei. Doch man könne sie „nicht mal eben so“ machen. Vor und nach dem Eingriff ist beispielsweise eine umfassende Ernährungstherapie Pflicht. Außerdem müssen vorab seltene Krankheiten ausgeschlossen werden, die die Gewichtszunahme verursachen könnten. Und mit dem Eingriff allein ist es nicht getan. Vor- und nachher sind strenge Regeln zu befolgen.

Mit ihrem Angebot hilft die Adipositas-Selbsthilfegruppe Bad Münder den Betroffenen zurück ins soziale Leben. „Wir nehmen die Menschen an die Hand auf ihrem Weg“, erklärt Ossyra. Und was ist das Schönste an der Arbeit in der Selbsthilfegruppe? Für Ossyra ist es ein Gefühl. „Wow, wieder einen Menschen glücklich gemacht“, ist sie sich sicher. Und auch für Wilke ist die Sache klar: „Wenn wir Menschen mit einem Lächeln sehen, das ist das Schönste.“

www.adipositas-shg-badmuender.jimdofree.com/